In der Ostseezeitung vom 21. Oktober erschien ein Artikel „Müllofen wird hochgefahren“ – journalistisch sauber, aber die Befragten informierten den Interviewer teilweise sehr falsch.

Unser Verein erarbeitete deshalb eine ergänzende Darstellung, die leider von der OZ nicht veröffentlicht wurde. Zum besseren Verständnis zitieren wir nachstehend den OZ-Artikel und dokumentieren danach unsere ergänzende Darstellung.

Müllofen wird hochgefahren

Am Seehafen beginnt die Verbrennung des Rostocker Mülls. Betreiber Vattenfall startet kommende Woche den Probebetrieb.


Krummendorf. Aus Abfall wird Strom und Wärme. Das passiert zukünftig im Ersatzbrennstoff-Heizkraftwerk am Rostocker Seehafen. Die Restmüllverbrennung steht unmittelbar vor der „warmen Inbetriebnahme“, teilt ein Sprecher des Betreibers Vattenfall Europe New Energy Ecopower GmbH mit.

Die Genehmigungsbehörde, das Staatliche Amt für Umwelt und Natur Rostock (StAUN), bestätigte den Start des Probebetriebs. Der sei ihm zum 28. Oktober angezeigt worden, erklärt Leiter Hans-Joachim Meier. Er geht davon aus, dass die Testphase, die der zuständige Mitarbeiter seines Amtes begleitet, etwa einen Monat dauert. Dass der Startschuss später fällt als ursprünglich angekündigt, sieht Meier nicht als Nachteil. „Es beruhigt mich relativ“, wenn alle Betriebsteile im Vorfeld ausreichend getestet wurden, so Meier.

Bisher habe es keine größeren technischen Probleme gegeben, heißt es bei Vattenfall. Die Verbrennung werde nach und nach hochgefahren, um zu sehen, ob der angestrebte Wirkungsgrad erreicht wird.

Durchschnittlich 169 000 Tonnen Restabfall sollen jährlich durch den Ofen gehen und eine Feuerungswärmeleistung von 87 Megawatt erzeugen. Theoretisch könnten 230 000 Tonnen verheizt werden. So ist die Anlage ausgelegt und auch genehmigt. Es gebe Verträge über die Anlieferung der notwendigen Müllmengen. Rund 50 000 Tonnen kommen aus der mechanisch-biologischen Abfallbehandlung der Entsorgungsgesellschaft EVG in direkter Nachbarschaft. Weitere Details wurden nicht genannt, auch nicht zu der Abnahme von Strom und der produzierten Fernwärme. Die Wirtschaftlichkeit sei gegeben, so der Vattenfall-Sprecher.

Mehr als 80 Millionen Euro investiert die Vattenfall-Tochter in das Kraftwerk, gegen das seit Jahren auch eine Rostocker Bürgerinitiative Sturm läuft. Diese kritisiert die Nutzung einer veralteten Technologie, fürchtet eine Gefährdung der Bevölkerung durch Schadstoffe und nennt die Anlage klimaschädlich. Gegen die Genehmigungsbehörde läuft auch noch eine Klage. Der Vorwurf: Die Kapazitäten der Anlage wurden ohne Beteiligung der Öffentlichkeit erweitert. Das weist Hans-Joachim Meier zurück, die Bevölkerung sei in dem langen Verfahren stets informiert worden. Er ist nach wie vor von der Kombination aus mechanisch-biologischer Vorbehandlung mit der anschließenden Verbrennung des Restmülls überzeugt. „Das Kraftwerk ist auf dem neuesten technischen Stand und lässt sich nicht mit früheren Müllverbrennungsanlagen vergleichen.“ Alle Umweltstandards würden eingehalten. Die Klage kann aus Sicht des StAUN-Chefs die Inbetriebnahme nicht verhindern. „Sie hat keine aufschiebende Wirkung.“

THOMAS NIEBUHR“


Ergänzende Darstellung / Pressemitteilung des Vereins „Rostocker Initiative für eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft und gegen Müllverbrennung e.V.“ zum OZ-Artikel „Müllofen wird hochgefahren“ vom 21.10.2009


Von Amts wegen Desinformation?


Am Rostocker Seehafen beginnt der Probebetrieb der Vattenfall'schen Müllverbrennungsanlage. Und das Staatliche Amt für Umwelt und Natur (StAUN) informiert aus diesem Anlass unrichtig (OZ 21.10.09).

Befürworter und Gegner der Müllverbrennung stehen sich sehr konträr gegenüber. Um so wichtiger ist es, sachlich zu bleiben und irreführenden oder gar unwahren Aussagen entgegenzutreten. Auch wenn sie „von Amts wegen“ erfolgen.

Herr Meier, Amtsleiter des StAUN Rostock, informierte die Ostsee-Zeitung wider eigenen Wissens falsch: Bezüglich der Müllverbrennungsanlage sei „die Bevölkerung ... in dem langen Verfahren stets informiert worden“ . Das trifft nachweislich nicht zu!

Es gab in den neunziger Jahren ein Genehmigungsverfahren für die RABA I und RABA II, bei dem auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung und eine Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgten. Mit RABA I (Restabfallbehandlungsanlage, 1. Stufe) war eine mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage gemeint, die zwischenzeitlich auch gebaut wurde und in Betrieb ist. RABA II (Restabfallbehandlungsanlage, 2. Stufe) bezeichnete eine Müllverbrennungsanlage der Firma ABB, die genehmigt, aber nie gebaut wurde.

Vattenfall reichte Ende 2006 den Antrag auf Genehmigung der jetzt im Probebetrieb befindliche Müllverbrennungsanlage (MVA, verschämt als „Sekundär-Brennstoff-Heizkraftwerk“ bzw. kurz „SBS-HKW“ bezeichnet) ein. Das ist eine völlig andere Anlage eines völlig anderen Herstellers. Dennoch genehmigte das StAUN die MVA bereits im März 2007! Das war ein „langes Verfahren“, Herr Meier? „Die Bevölkerung sei ...stets informiert worden“?

Schlimmer noch: Wenige Tage vor der schnellen Genehmigung beantragte der Investor die sofortige Vollziehung, um eine aufschiebende Wirkung etwaiger Widersprüche zu verhindern (falls doch jemand vom Vorhaben erfahren sollte). Dem kam das StAUN nach! Die Bevölkerung wurde weder über den Antrag von Vattenfall noch über den endgültigen Genehmigungsbescheid ordnungsgemäß informiert. Erst durch eine Mitteilung in der Presse über die feierliche Grundsteinlegung erfuhren die Bürger von dem Vorhaben.

Die Anlage wurde als „SBS-HKW“ für eine thermische Verwertung von ca. 199.600 t/Jahr SBS (max. 230.000 t/Jahr SBS) beantragt und genehmigt.

Wenn jetzt nur noch von 169.000 t/Jahr und dann auch noch von Ersatzbrennstoff statt von Sekundärbrennstoff die Rede ist, lässt das aufhorchen. Offenbar bekommt Vattenfall den Brennstoff weder in Menge noch in Qualität zusammen. „Sekundärbrennstoff (SBS)“ ist stofflich homogener und energiereicher als „Ersatzbrennstoff (EBS)“, von dem jetzt gesprochen wird (OZ 21.10.09). Der Verbrennungsprozess ist bei SBS etwas besser zu beherrschen als bei EBS. Die ohnehin nur sehr schwach ausgelegte Rauchgasreinigung wurde für SBS konzipiert. Ersatzbrennstoffe (das ist alles, was brennt) erzeugen wesentlich mehr Schadstoffe als SBS. Also wird die Luftbelastung noch größer.

Vor allem aber: Die Anlage wurde nicht als EBS-Kraftwerk genehmigt! Daher dürfte der jetzige Probebetrieb illegal sein – mit Billigung des StAUN.

Noch eines sollten die Rostocker wissen: Während des Probebetriebes und beim Anfahren der Müllverbrennung darf ein Bypass benutzt werden, der die Reinigungsstufen umgeht. Die Verbrennungsgase kommen also völlig unbehandelt aus dem Schornstein!

Die Klage gegen die Genehmigung richtet sich gegen das StAUN, nicht gegen Vattenfall. Es geht auch nicht um die „Kombination aus mechanisch-biologischer Vorbehandlung mit der anschließenden Verbrennung des Restmülls“ (Meier), sondern darum, dass das StAUN die jetzige MVA ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und ohne Öffentlichkeitsbeteiligung im Schnellschuss (und obwohl sie nicht dem neuesten technischen Stand entspricht, dazu an anderer Stelle mehr) genehmigte! Die Klage wurde vom Oberverwaltungsgericht Greifswald angenommen.