Energie aus Abfall

Am 28. Oktober 2009 veröffentlichten die Norddeutschen Neuesten Nachrichten (NNN), Artikelautor Torben Hinz, Informationen über die Rostocker Müllverbrennungsanlage (MVA, vom Investor Vattenfall „Sekundärbrennstoff-Heizkraftwerk“ genannt, unter der obigen Überschrift einen Artikel, der von Falschinformationen nur so strotzt. Die falschen Informationen stammen zwar primär vom Investor und vom Staatlichen Amt für Umwelt und Natur (StAUN) Rostock – aber von einem guten Journalisten darf man Nachfragen und kritische Recherche erwarten.

Zum besseren Verständnis der Leserbriefe zitieren wir nachstehend den NNN-Artikel.

Vattenfalls Restabfallbehandlungsanlage im Rostocker Seehafenareal: "Die genutzte Technik ist das Modernste, was es auf dem Markt gibt." Georg Scharnweber

Das Sekundärbrennstoff-Heizkraftwerk der Vattenfall Europe New Energy GmbH im Überseehafen hat gestern seinen Probebetrieb aufgenommen. Es erzeugt Energie und Wärme aus 230 000 Tonnen Abfall pro Jahr.

ROSTOCK - Nach 15 Jahren Planungs- und Bauzeit hat das Sekundärbrennstoff-Heizkraftwerk der Vattenfall Europe New Energy GmbH im Überseehafen gestern seinen einmonatigen Probebetrieb aufgenommen. Kritiker bezeichnen die rund 83 Millionen teure Anlage schlicht als Müllkraftwerk: Sie erzeugt elektrische Energie auf der Basis von Ersatzbrennstoffen aus Abfallbehandlungsanlagen und Gewerbeabfällen.

230 000 Tonnen Müll im Jahr

Ihr Brennstoffdurchsatz beträgt maximal 230 000 Tonnen im Jahr, geplant wird aber zunächst mit 170 000 Tonnen. "Die Ersatzbrennstoffe sollen nach Möglichkeit regional bezogen werden", sagt ein Sprecher des Unternehmens. Rund 60 000 Tonnen werden von der mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage der Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (EVG) direkt nebenan eingeholt. Weitere 70 000 Tonnen sollen aus dem Land angeliefert und der Rest vom Markt aufgekauft werden - immerhin noch rund 40 000 Tonnen. Kritiker verweisen darauf, dass Rostock nicht einmal 50 000 Tonnen Müll selbst produziert.

"Im Probebetrieb arbeiten wir natürlich nicht gleich mit der vollen Auslastung", sagt der Sprecher. In dem Fall würden bis zu 79 Lkw am Tag den Überseehafen ansteuern.

"Wir stehen zu unserer Genehmigung", sagt Hans Joachim Meier, Leiter des Staatlichen Amts für Umwelt und Natur (Staun). Vor der Aufnahme des Probebetriebs habe es eine sehr tiefgründige und umfangreiche Prüfung der einzelnen Komponenten gegeben. Und nach dem Probemonat werde es eine Auswertung des Testlaufs geben. "Die genutzte Technik ist das Modernste, was es auf dem Markt derzeit gibt", sagt der Unternehmenssprecher. Sie werde zudem in regelmäßigen Abständen überprüft und erneuert. Bei einer angenommenen Laufzeit von 35 bis 40 Jahren liege das auf der Hand.

Das Kraft-Wärme-gekoppelte Kraftwerk kann 20 Megawatt elektrische und 30 Megawatt thermische Leistung in die Netze einspeisen. "Diese Referenzwerte schwanken je nach Bedarf", sagt der Sprecher. Ein Anschluss zur Wärmeauskopplung an vertraglich gebundene Abnehmer aus der näheren Umgebung ist bereits vorhanden.

Der Kraftwerksstandort hat insgesamt eine Größe von 2,4 Hektar. Er wurde in einer mehrjährigen Umweltverträglichkeitsuntersuchung geprüft und ausgewählt. Gegen das Vorhaben gab es alles in allem 217 Einwendungen.“


Wie unwahr!

"Er [der Kraftwerks-STANDORT] wurde in einer mehrjährigen Umweltverträglichkeitsuntersuchung geprüft und ausgewählt." Dieser Satz ist völlig unrichtig. Der Standort an sich wurde überhaupt keiner UVP unterzogen, schon gar nicht einer mehrjährigen. Aber es gab in den neunziger Jahren die Planung für eine Müllverbrennungsanlage (MVA) mit UVP und Öffentlichkeitsbeteiligung. DAMALS gab es auch die genannten 217 Einwendungen. Die damals beantragte und genehmigte Anlage wurde jedoch nicht gebaut.

Vattenfall reichte erst Ende 2006 den Antrag auf Genehmigung der jetzt im Probebetrieb befindliche Müllverbrennungsanlage (MVA, verschämt als „Sekundär-Brennstoff-Heizkraftwerk“ bzw. kurz „SBS-HKW“ bezeichnet) ein. DAS IST EINE VÖLLIG ANDERE ANLAGE EINES VÖLLIG ANDEREN HERSTELLERS. Dennoch genehmigte das StAUN die MVA bereits im März 2007! Es gab für diese Anlage KEINE UVP und KEINE ÖFFENTLICHKEITSBETEILIGUNG!

Schlimmer noch: Wenige Tage vor der schnellen Genehmigung beantragte der Investor die sofortige Vollziehung, um eine aufschiebende Wirkung etwaiger Widersprüche zu verhindern (falls doch jemand vom Vorhaben erfahren sollte). Dem kam das StAUN nach! Die Bevölkerung wurde weder über den Antrag von Vattenfall noch über den endgültigen Genehmigungsbescheid ordnungsgemäß informiert. Erst durch eine Mitteilung in der Presse über die feierliche Grundsteinlegung erfuhren die Bürger von dem Vorhaben.

Noch eines sollten die Rostocker wissen: Während des Probebetriebes und beim Anfahren der Müllverbrennung darf ein Bypass benutzt werden, der die Reinigungsstufen umgeht. Die Verbrennungsgase kommen also völlig unbehandelt aus dem Schornstein!

Und es ist auf gar keinen Fall ist "die genutzte Technik ... das Modernste, was es auf dem Markt derzeit gibt". Auch das läßt sich mühelos nachweisen, nur der Platz hier reicht nicht aus.

Rostocker Initiative für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und gegen Müllverbrennung e.V., www.rostock-mva.de, recycling-rostock@freenet.de

29.10.2009


Brennstoffänderung heißt höhere Luftbelastung!

Die Müllverbrennungsanlage (MVA) wurde als „Sekundär-Brennstoff-Heizkraftwerk“ („SBS-HKW“) genehmigt - für eine thermische Verwertung von ca. 199.600 t/Jahr SBS (max. 230.000 t/Jahr SBS) beantragt und genehmigt.

Wenn jetzt nur noch von 170.000 t/Jahr und dann auch noch von Ersatzbrennstoff statt von Sekundärbrennstoff die Rede ist, lässt das aufhorchen. Offenbar bekommt Vattenfall den Brennstoff weder in Menge noch in Qualität zusammen.

„Sekundärbrennstoff (SBS)“ ist stofflich homogener und energiereicher als „Ersatzbrennstoff (EBS)“, von dem jetzt gesprochen wird. Der Verbrennungsprozess ist bei SBS etwas besser zu beherrschen als bei EBS. Die ohnehin nur sehr schwach ausgelegte Rauchgasreinigung wurde für SBS konzipiert. Ersatzbrennstoffe (das ist alles, was brennt) erzeugen noch mehr Schadstoffe als SBS. Also wird die Luftbelastung noch größer.

Vor allem aber: Die Anlage wurde nicht als EBS-Kraftwerk genehmigt! Daher dürfte der jetzige Probebetrieb illegal sein – mit Billigung des StAUN?!


Rostocker Initiative für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und gegen Müllverbrennung e.V., www.rostock-mva.de, recycling-rostock@freenet.de

DR. GÜNTER HERING, 29.10.2009


Wundersame Wirkungsgrade

"Das Kraft-Wärme-gekoppelte Kraftwerk kann 20 Megawatt elektrische und 30 Megawatt thermische Leistung in die Netze einspeisen" - schreibt die NNN auf der Basis von Vattenfall-Informationen. Welch wundersame Erhöhung der Wirkungsgrade! In den Antragsunterlagen von Vattenfall ist für den Einsatz von rund 200.000 bis 230.000 Jahrestonnen Sekundärbrennstoff zu lesen (Tab. 12-2 auf S. 12-2, Lastfall Wärmeauskopplung): 17,72 MW Wärmeauskopplung und 15,57 MW Stromerzeugung.

Beim Einsatz von heizwertärmeren Ersatzbrennstoffen (EBS) in geringerer Menge (nur 17.000 Jahrestonnen) werden aus den geplanten rund 15,6 KW nunmehr 20 KW elektrisch und aus geplanten 17,7 KW thermisch fast die doppelte Menge, 30 KW. Das ist ja schon ein halbes perpetuum mobile!

Liegt es an der "modernsten Technologie", die zum Einsatz kommt? Hinsichtlich der Energieeffizienz ist sie alles andere als modern. Bei der Abgasreinigung sieht es ähnlich traurig aus. Die Anlage besitzt nur eine Staubfilter-Stufe. Selbst ein sogenanntes Polizeifilter wurde eingespart (es soll, wenn das vorgelagerte Filter reißt, den Staub zurückhalten). Andere Anlagen habe bis zu 8 Filter hintereinander! Das gleiche gilt für die Entstickung. Es wird das SCNR-Verfahren eingesetzt, das nur noch bis 2013 genehmigungsfähig ist. Effizienter wäre das SCR-Verfahren. Der zuständige Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium, Ministerialdirektor Dr. habil. Uwe Lahl schrieb deshalb: "Während es für Abgasbehandlungssysteme mit SCR-Technik in der Regel relativ problemlos möglich sein dürfte, den neuen Grenzwert einzuhalten, gilt dies nicht für die SNCR-Technologie. Daher ist es insbesondere im Falle von anstehenden Neuinvestitionen anzuraten, auf SCR-Technik zu setzen." Aber das wäre mit Mehrkosten von 2,50 EUR je Tonne Abfall verbunden. So viel war dem Investor die Gesundheit der Rostocker nicht wert.

Eben alles ganz modern...


Rostocker Initiative für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und gegen Müllverbrennung e.V., 29.10.2009


Energie aus Abfall

Fakten verdreht, Halbwahrheiten verbreitet - selten sind die Bewohner einer Stadt so im Unklaren darüber gelassen worden, was ein Energiekonzern des Profites willen mit ihnen vorhat! Und ein staatliches Amt hat offenbar prima mitgespielt. Die meisten Rostocker und Bewohner aus der näheren Umgebung wissen mit Sicherheit nicht, was aus dem Schornstein dieser MVA auf sie niederrieselt...Es ist schon eine dreiste Geschichte!


BERT MORGENSTERN, 29.10.2009