Kohlekraftwerk, Müllverbrennung oder Zukunft?

Kluge Entscheidungen fallen nicht in Mecklenburg-Vorpommern, aber in Kiel

Als Richard, der Rußwurm, sich vor rund zehn Jahren mit vielen umweltbewußten Mitstreitern gegen das damals beantragte (und zwischenzeitlich in Betrieb gegangene) Kohlekraftwerk und für eine innovativere Lösung engagierte, glaubte er noch an die Überzeugungskraft von Sachargumenten.

Die innovative Alternative war ein Vorschlag des Deutschen Energieinstitutes Freiberg und des Kraftwerksanlagenbau Berlin: Die Kohle erst im Winkler-Generator vergasen und bereits vor der Verbrennung von den Schadstoffen (einschließlich Schwefel) befreien sowie die erste Turbine antreiben und erst danach verbrennen und mit dem Dampf in üblicher Weise Strom gewinnen. Winkler-Generatoren wurden seit den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts großtechnisch in Leuna 1 betrieben, sind also eine erprobte Technologie. Nur haben die Kraftwerksbauer sie einfach nicht zur Kenntnis genommen (Siemens bastelt jetzt erst an einem Prototyp, aber offenbar ohne die in Leuna und Schwarze Pumpe gewonnenen Erfahrungenzu berücksichtigen).

Was hätte diese Alternative für den Investor und auch für den Standort gebracht? Doppelt so hohe Stromausbeute je Mengeneinheit Kohle (also auch nur halb so viel CO2-Ausstoß je erzeugte Energiemenge). Deutlich niedrigere Bau- und Betriebskosten. Eine sehr hohe Förderung durch das Bundesumweltministerium „für das erste Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in den neuen Ländern“. Niedrige Luftbelastungen durch Schadstoffe und Feinstäube. Sehr niedrige Gestehungskosten für den erzeugten Strom (die Energetiker schätzten die Kosten auf 0,06 DM/kWh). Ein solches Kraftwerk im Eigentum der Stadtwerk würde der Stadt einen unermeßlichen Geldsegen beschert haben. Für die Universität hätte sich eine hochinteressantes Forschungsfeld ergeben und damit ein hohes internationales Ansehen.

Aber diese guten und im Detail begründeten Argumente wurden einfach „weggewogen“. Die Erklärung erhielten die Bürger nach der Genehmigung des jetzigen Kraftwerkes: Die Umweltministerin M-V wechselte als Presseprecherin zum Investor.

Heute ist natürlich alles ganz anders. Da interessieren die Sachargumente gleich gar nicht. „Wenn wir jedem Protest nachgeben, würde in M-V bald nichts mehr gehen“, sagte unser aller Ministerpräsident Herr Dr. Ringsdorff vor dem Wirtschafsrat der CDU (WR), Landesverband M-V, auf dessen Jahresempfang am 6.2.08. „WR und anwesende Unternehmer sicherten ihm ihre Unterstützung zu“, schreibt die Zeitung weiter. Also Demokratur ohne Demo.

In die gleiche Kerbe schlug unlängst Dr. Seidel vom Unternehmerverband Rostock und Umgebung, als er forderte, Argumente für oder gegen klima- und umweltrelevante Maßnahmen sollten nicht in den Medien diskutiert werden. Offenbar nicht einmal zukunftsfähige Alternativen...

Die gibt es nicht nur für Kraftwerke, sondern auch für den Umgang mit Müll. Dem Vernehmen nach hat sich die Ukraine dazu entschieden, auf der Krim keine Müllverbrennungsanlagen bauen zu lassen, sondern moderne, energieeffiziente, umweltfreundliche Vergasungsanlagen. Weil man die Tourismusindustrie auf der Krim nicht gefährden will. Es gibt also noch kluge Regierungen.

Es gibt sogar kluge Städte! Die Stadtwerke Kiel haben die Invesititionsentscheidung zum Bau eines neuen Kohlekraftwerkes um drei Jahre verschoben. Begründung: Durch die hohe Investitionssumme und die damit einhergehende lange Mindestlaufzeit des Kohlekraftwerkes wäre die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien verhindert worden.

Zwischenzeitlich investiert Kiel in den umfangreichen Bau von Anlagen zur dezentralen Versorgung im Rahmen des neuen Kieler Energiekonzeptes. Gleichzeitig prüfen die Stadtwerke die Beteiligung an einem Offshore-Windpark und planen die Einführung eines Förderprogramms für Solarthermie – alles „nur mit und nicht gegen die Bürger“. "Verantwortung zu übernehmen heißt auch, auf die bestmögliche Technik zum Schutz der Umwelt zu setzen“. Kiel hat sich mit dem Beitritt in das Klimabündnis der europäischen Städte im Mai 2007 dazu verpflichtet, den CO2-Ausstoß um 50 Prozent zu reduzieren.

PS. Kiel ist im Bereich der maritimen Touristik ein scharfer Konkurrent für Rostock und andere Regionen in M-V...

Richard Rußwurm

Quelle: Rostocker Blitz, 2.3.08