Interview mit bvse-Präsident Burkhard Landers:
Zur Kreislaufwirtschaft gehört in erster Linie die hochwertige stoffliche Verwertung
1. Wie kann der Weg aus der Krise für unsere Branche aussehen? Muss nicht das ökologische Bewusstsein in der Gesellschaft gerade jetzt mehr gefördert werden? Burkhard Landers: Ökologisches Bewusstsein alleine wird die Finanz- und Wirtschaftskrise sicher nicht lösen. Da muss man schon etwas mehr für tun. Richtig ist aber, die Krise zu nutzen, um intelligente Weichenstellungen vorzunehmen, die die Zukunftsfähigkeit der deutschen und europäischen Volkswirtschaft sichern und nach der Krise einen guten Start erlauben. Für unsere Branche heißt das, dass der Nachhaltigkeits- und der Recyclinggedanke nicht aufgegeben werden dürfen, auch wenn die Preise für Sekundärrohstoffe nicht begeistern. Die Zukunft steckt nicht einseitig in der Verbrennung. Die stoffliche Verwertung, die Produktion von Sekundärrohstoffen werden für unsere Industrie immer wichtiger sein.
2. Welche Impulse müssen dafür gesetzt werden? Burkhard Landers: Wir brauchen einen schnellen Technologietransfer vom Maschinen- und Anlagenbau zu den Recyclingbetrieben, um Rohstoffe in der nötigen hohen Qualität zu produzieren und um die Versorgungssicherheit der abnehmenden Industrie zu gewährleisten. Der bvse hat gemeinsam mit dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. eine Expertengruppe gebildet, um Zukunftsprojekte gemeinsam anzugehen. Wir dürfen nicht nur warten, dass die Krise irgendwann überwunden ist, sondern wir müssen aktiv und praktisch etwas dafür tun, dass wir neue Geschäftsfelder für unsere Branche erschließen.
3. Es gibt Stimmen, die sagen, dass die Deutschen das Thema Kreislaufwirtschaft zu hoch hängen. Hat sie denn überhaupt noch Zukunft? Burkhard Landers: Unabhängig vom deutschen Markt gibt es weltweit ein zunehmendes Verständnis für den Gedanken der Kreislaufwirtschaft. In Großbritannien werden getrennte Sammelsysteme aufgebaut. In China ist zum 1. Januar dieses Jahres ein eigenes Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft getreten. Weltweit wird inzwischen die Chance gesehen, aus Abfällen Sekundärrohstoffe zu generieren. Wir haben hier in Deutschland eine Spitzenposition, die müssen wir weiter ausbauen.
4. Welche Schwerpunktsetzung nimmt dabei der bvse vor? Burkhard Landers: Zur Kreislaufwirtschaft gehört in erster Linie die hochwertige stoffliche Verwertung, aber auch qualitativ hochwertige und energiehaltige Ersatzbrennstoffe sind ein wichtiges Geschäftsfeld. Zum Beispiel benötigen viele Papierfabriken inzwischen nicht nur dringend Altpapier als Sekundärrohstoff, sondern auch hochwertige Ersatzbrennstoffe, um ihre elektrische Energie und Wärmeenergie aus eigenen Ersatzbrennstoffkraftwerken zu erzeugen.
Solchen energieeffizienten Anlagen, direkt am Standort eines Industrieprozesses, gehört die Zukunft, weil sie auch den Standort Deutschland insgesamt wettbewerbsfähig machen. Das eröffnet der Branche neue wirtschaftliche Potenziale und ermöglicht vielleicht auch in Zukunft, die ein oder andere überflüssige Müllverbrennungsanlage zu schließen.
5. Es sieht ein wenig so aus, als ob die Sekundärrohstoffwirtschaft ihre Blütezeit schon hinter sich hätte? Burkhard Landers: Das sehe ich ganz und gar nicht so. Als rohstoffarmes Land hat Deutschland gar keine andere Chance, als die Ressourcen nach den ersten Lebenszyklen der Produkte unseres täglichen Lebens zu heben und sie für die weitere volkswirtschaftliche Verwertung nutzbar zu machen. Dieses Potenzial ist noch nicht annähernd ausgeschöpft und stellt die wirkliche Herausforderung für die Zukunft dar. Dies mag vielleicht angesichts der dramatischen Marktverwerfungen, die wir gerade erleben, nicht immer leicht zu vermitteln sein, aber Marktschwankungen gibt es, solange es Märkte gibt. Die fundamentalen Rahmenbedingungen haben sich nicht verändert. Rohstoffe sind knapp und endlich. Wir können es uns schlicht nicht leisten, auf Sekundärrohstoffe zu verzichten.
erschienen am: 2009-07-23 im europaticker. Hervorhebungen von uns, Rostocker Initiative
„Weltweit wird inzwischen die Chance gesehen, aus Abfällen Sekundärrohstoffe zu generieren“, sagt Herr Landers. Sekundärrohstoffe, nicht Sekundärbrennstoffe! Wieso hat sich das noch nicht zum Klimaschutz-Berater unserer Bundeskanzlerin, Chef des Vattenfall-Konzerns, herumgesprochen?