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Donnerstag 27 Januar 2011
Kosten rekommunalisieren, Gewinne privatisieren? Die Geschäfte mit dem Rostocker Müll
Die Hansestadt Rostock beabsichtigt Veränderungen bei der Müllentsorgung (die regionale Presse berichtete) und geht dabei für die Bürger und den kommunalen Haushalt denkbar schlechtesten Weg. Sie will die Müllabfuhr rekommunalisieren und die Abfallbehandlung vollständig privatisieren.
Bekanntlich verursacht die Müllabfuhr ausschließlich Kosten. Das Einsammeln des Abfalls und die Ablieferung beim Entsorger/Behandler kosten den Bürger viel Geld. Einnahmen sind dabei nicht zu erzielen.
Anders ist es bei der Behandlung und Verwertung von Abfall. Hierbei kann richtig Geld verdient werden, allein schon durch die Annahme des (kommunal!) eingesammelten Mülls. Denn der einzige Entsorger vor Ort, die EVG, hat einerseits die Ausschreibung gewonnen und ist in Kürze vollständig in privater Hand – eine ideale Situation, um die Annahmepreise diktieren zu können, ganz unabhängig von den ohnehin der Öffentlichkeit verheimlichten Vertragsbedingungen.
Dabei schrieb erst unlängst die DIHK auch unseren Stadtvätern ins Stammbuch: Keiner muss mehr Abfälle teuer entsorgen. „Im Gegenteil: Die Verknappung der Rohstoffe lässt Nachfrage und Preise steigen - auch bei gebrauchten Stoffen. Positiver Nebeneffekt: Umweltfreundlichkeit durch Ressourcenschonung. - Und für fast jeden Stoff finden sich auch Abnehmer... DIHK-Umweltexperte Armin Rockholz: 'Wir gehen davon aus, dass das Recyclingthema noch weiter an Fahrt gewinnen wird, denn der Bedarf ist riesig und Rohstoffe werden immer kostbarer.'" Das predigt auch unser Verein seit Jahren. Nur die Stadt interessiert es nicht.
Ursprünglich wurde die EVG gegründet, um in Vorbereitung des ab 2005 geltenden Deponierungsverbotes für unbehandelte Abfällen alternative Entsorgungspfade vorzubereiten und zu praktizieren. Die EVG orientierte zunächst nur auf eine Verbrennung der Abfälle. Die sich in großem Umfang an der Diskussion beteiligenden Bürger forderten jedoch als Alternative eine mechanische-biologische Abfallbehandlung, denn die Gesundheits- und Umweltgefährdungen durch Müllverbrennung waren bereits damals bekannt. Die Entscheidungsträger gingen vordergründig auf diese Forderung ein, beantragten aber bei der Genehmigungsbehörde neben einer mechanisch-biologischen Abfallbehandlung („Restabfall-Behandlungsanlage“, RABA-1) noch eine „RABA-2“. Den arglosen Bürgern konnte nicht auffallen, dass sich hinter diesem harmlosen Begriff bereits damals eine Müllverbrennungsanlage verbarg! So begann die Kette der Täuschungen und Tricksereien gegenüber der Öffentlichkeit.
Die Anlagen der EVG wurde auf ursprünglich kommunalem Grund und Boden errichtet. Lief der Grundstücksverkauf korrekt ab? Hat die Bürgerschaft darüber beraten und beschlossen? Wie viel Geld erlöste die Stadt? Nichts genaues weiß man nicht, die Stadt verwehrt bis heute jedwede Auskunft, insbesondere die Einsicht ins Grundbuch und in die Verträge (Informationsfreiheitsgesetz? Nicht in Rostock!).
Später verkaufte die EVG die Anlagengenehmigung für die „RABA-2“ an Vattenfall, das daraufhin die heutige Müllverbrennungsanlage baute. Die ursprüngliche „RABA-2“-Genehmigung sah zwar eine weitergehende Abgasreingung vor, wie sie für eine Urlaubs- und Gesundheitsregion unverzichtbar sein sollte – wenn man denn überhaupt verbrennt, statt zu recyceln.
Neben der Genehmigung der „RABA-2“ wurde auch der Grund und Boden zur Errichtung der Müllverbrennungsanlage an Vattenfall abgetreten. Zu welchem Preis? Wieviel bekam die EVG für den Verkauf von Genehmigung und Grundstück? Wieviel davon floß an die hochverschuldete Stadt, die über die Stadtreinigung Mitbesitzer an der EVG ist? Auch hier herrscht beredtes Schweigen.
Dann kam im vergangenen Jahr zur EU-weiten Ausschreibung der Müllentsorgung, bezeichnender weise nur auf Grund des Druckes durch die EU-Kommission. „Natürlich“ gewann die EVG, obwohl es einen kostengünstigeren Anbieter gab. Parallel zur Ausschreibung gab es zwischen Stadt und EVG eine Vereinbarung, dass die Stadt der EVG „Schadenersatz“ zahlt: Erhält die EVG nicht den Zuschlag, zahlt die Stadt 11,3 Mio. Euro. Wenn aber die EVG den Zuschlag erhält, bekommt sie dennoch 6,8 Mio. Euro. Ja wofür denn nur? Und woher nimmt die Stadt das Geld? Aus dem Verkauf des bislang noch kommunalen Anteils an der EVG? Das würde bedeuten, dass die Stadt ihren EVG praktisch an den Käufer Veolia verschenkt! Kann so etwas zulässig sein?
Mit Datum vom 16.12.2010 teilt die Stadtverwaltung mit: „Die Kosten haben sich im Ergebnis der ... Neuausschreibung sogar verringert. Sie liegen unter den ursprünglich vereinbarten Kosten, so dass für die Rostockerinnen und Rostocker in jedem Fall eine Kostenreduzierung eintreten wird. Allerdings muss die Stadt einen Schadensausgleich in Höhe von 6,8 Mio. Euro an die EVG mbH zahlen.“ Abgesehen davon, dass es keine Neuausschreibung, sondern angesichts des drohenden Vertragsverletzungsverfahrens eine Erstausschreibung war: Die EVG hat offenbar bislang zu höheren Preisen als notwendig gearbeitet und bekommt dafür jetzt sogar einen Schadensausgleich? Oder „subventioniert“ die Stadt mit den 6,8 Mio. € den niedrigeren Preis, weil nur über diesen eine Zuschlagserteilung möglich war?
Fragen über Fragen! Was steht in den Verträgen zwischen Stadt / Stadtentsorgung und EVG und zwischen EVG und Vattenfall? Gibt es Vereinbarungen über Mindestmengen von Müll, die anzuliefern sind? Was geschieht, wenn die Rostocker konsequent Müll vermeiden und die vereinbarten Mindestmengen nicht zustande kommen? Muss die Stadt dann permanent zahlen, so wie im Fall des Warnowtunnels bei zu geringem Verkehrsaufkommen? Gibt es bereits entsprechende Ausfallbürgschaften?
Angesichts der vielen Unklarheiten und sehr beträchtlichen Geldmengen und Eigentumsverschiebungen halten wir es für unverantwortlich, dass die Bürgerschaft am 2. Februar über die vom Hauptausschuß bereits abgesegneten Veränderungen beschließen will. Dafür ist der Filz von ungeklärten Fakten, Fragen und Interessenlagen viel zu groß.
Bisher hatte die Stadt durch ihren Anteil an der EVG zumindest eine gewisse Kostenkontrolle bei der Abfallbehandlung. Nach diesem Dreiecksgeschäft muss sie zahlen, was verlangt wird. Ist das wirklich eine kluge Entscheidung? Haben unsere Bürgerschaftsabgeordneten das gründlich bedacht? Wollen sie das wirklich? Wenn ja, was motiviert sie dazu? Das Gemeinwohl kaum.
Ohne Transparenz werden wir Bürger beim Müll in jedem Fall heftig übers Ohr gehauen.
Pressemitteilung der „Rostocker Initiative für eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft und gegen Müllverbrennung e.V.“ vom 26. Januar 2011